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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: 10 VA 10/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1309 Abs. 2 |
10 VA 10/02
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Karlsruhe, 28. Januar 2003
In Sachen
- sich nach einer operativen Geschlechtsumwandlung als Person weiblichen Geschlechts empfindend, daher im folgenden als Antragstellerin bezeichnet -
gegen
den Präsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe,
wegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG
Beschluss
Tenor:
1. Der Antrag vom 30.08.2002 auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Geschäftswert wird auf € 3.000,- festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 23 EGGVG zulässig. Bei der Entscheidung des Oberlandesgerichtspräsidenten über die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gem. § 1309 BGB - hier: Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16.07.2002 (Az:), der Antragstellerin zugestellt am 08.08.2002 - handelt es sich um einen Akt der Justizverwaltung (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1309 Rn. 11). Wird die Befreiung, wie im vorliegenden Fall, versagt, kann die Rechtsmäßigkeit der Entscheidung in dem Verfahren gem. §§ 23 ff. EGGVG nachgeprüft werden (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O. § 1309 Rn. 14; Kissel, GVG, 3. A. § 23 EGGVG Rn. 118).
Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben, insbesondere ist der Antrag form- und fristgerecht gem. § 26 EGGVG eingegangen. Zwar ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 24 EGGVG nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Im vorliegenden Fall enthält der Antrag keinerlei Begründung. Die behauptete Rechtsverletzung ergibt sich allerdings schon aus der Behauptung, dass der begehrte Befreiungsantrag abgelehnt wurde (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl., § 26 EGGVG Rn. 2).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat der Präsident des Oberlandesgerichts die Befreiung der Antragstellerin von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gem. § 1309 Abs. 2 BGB abgelehnt.
Zur Begründung verweist der Senat nach eigener, eingehender Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diese zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Eine Auseinandersetzung der Antragstellerin mit dieser Begründung ist nicht erfolgt.
Auch der Senat vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Befreiung hier nicht gegeben sind. Eine Befreiung von dem Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses kommt bei Angehörigen solcher Staaten in Betracht, deren innere Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse ausstellen (§ 1309 Abs. 2 S. 2 BGB). Zu diesen Staaten gehört auch Thailand, der Heimatstaat der Antragstellerin. Über das Standesamt E. hat daher die Antragstellerin eine Befreiung von der Vorschrift des § 1309 Abs.1 BGB beantragt.
Bei der Prüfung des Antrags tritt der Präsident des Oberlandesgerichts an die Stelle der in § 1309 Abs.1 BGB genannten ausländischen Behörde und hat zu prüfen, ob sich aus dem Heimatrecht der Antragstellerin ein der Eheschließung entgegenstehendes Eheverbot ergibt.
Die Antragstellerin hat die thailändische Staatsangehörigkeit. Nach thailändischen Recht liegt aber das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit vor.
Auch der Senat vertritt die Auffassung, dass analog Art. 7 EGBGB sich die Geschlechtszugehörigkeit im rechtlichen Sinne nach vollzogener operativer Geschlechtsumwandlung nach dem Personalstatut richtet (vgl. auch Palandt/ Heldrich, BGB 62.A. Art. 7 EGBGB Rn. 6). Demgemäss ist für die Frage, welchem Geschlecht die Antragstellerin angehört, thailändisches Recht maßgeblich. Danach hat die Antragstellerin auch nach vollzogener operativer Geschlechtsumwandlung rechtlich das Geschlecht behalten, das sie von Geburt an hatte, so dass sie nach thailändischem Recht ein Mann geblieben ist und ihr die Eheschließung mit einem Mann untersagt ist. Von diesem Eheverbot kann nicht im Rahmen des § 1309 BGB Befreiung erteilt werden.
Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass nach dem deutschen Transsexuellengesetz unter bestimmten Vorrausetzungen die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit einer Person mit allen daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen abweichend von dem Geburtseintrag erfolgen kann (§§ 8, 10 des Transsexuellengesetz vom 10.09.1980, BGB I S. 1654, in der Folge: TSG). Zwar kann es der ordre public - Art. 6 EGGBG - gebieten, im Rahmen des §1309 BGB Befreiung zu erteilen, wenn das ausländische Recht eine Eheschließung verbietet, die mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar wäre (Palandt /Brudermüller, BGB 62. A. § 1309 Rn.13 mit verschiedenen, nicht einschlägigen Beispielen).
Die Frage, ob der ordre public es gebietet, auf das deutsche Transsexuellengesetz zurückzugreifen, stellt sich aber jedenfalls solange nicht, wie die Antragstellerin nicht eine Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts gem. §§ 2, 8 TSG herbeigeführt hat. Denn zunächst müsste in dem nach dem Transsexuellengesetz vorgeschriebenen Verfahren geprüft werden, ob die Antragstellerin nach deutschem Recht überhaupt die Voraussetzungen für die Feststellung der weiblichen Geschlechtszugehörigkeit erfüllt. Nur eine dahingehende positive Entscheidung des Amtsgerichts hat nach deutschem Recht ab ihrer Rechtskraft zur Folge, dass das im Geburtseintrag der betroffenen Person angegebene Geschlecht nicht mehr maßgeblich ist, die Rechtsstellung sich vielmehr nach dem neuen Geschlecht richtet, § 10 Abs. 1 TSG. Ob die Frage, der Geschlechtszugehörigkeit der Antragstellerin sich nach deutschem materiellen Recht anders als nach thailändischem Recht beantwortet, hängt also von einer derartigen amtsgerichtlichen Entscheidung ab. Mithin kann keinesfalls bevor eine solche Entscheidung vorliegt festgestellt werden, ob das thailändische Recht im Fall der Antragstellerin zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Antragsstellerin, weil sie nicht unter das deutsche Personalstatut fällt, nicht zu dem Personenkreis zählt, für den gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 TSG das genannte Gesetz gilt. Denn dann, wenn der Präsident des Oberlandesgerichts die Befreiung erteilen würde, weil er die Beschränkung des Transsexuellengesetzes auf Transsexuelle mit deutschem Personalstatut für verfassungswidrig erachtete, würde er sich, wie zuletzt das Kammergericht zutreffend ausgeführt hat (Bescheid vom 10. Juni 2002, StAZ 2002, 307, 308), über die Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Beantwortung der Frage der Geschlechtszugehörigkeit bei Personen, die dem deutschen Personalstatut nicht unterfallen, deren Heimatstaat vorbehalten bleiben soll, hinwegsetzen und sich damit eine Verwerfungskompetenz anmaßen, die nicht einmal Fachgerichten zustünde. Denn diese müssen, wenn sie eine Rechtsnorm für verfassungswidrig halten und die Entscheidung darauf beruht, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Landesverfassungsgerichts einholen.
Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des deutschen Transsexuellengesetzes kann mithin nur im Rahmen eines Verfahrens nach § 8, 2 TSG vor dem zuständigen Amtsgericht erfolgen, das ggf. eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gem. Art. 100 GG einzuholen hat; andernfalls bleibt für die Antragstellerin letztlich nur der Weg der Verfassungsbeschwerde nach Erschöpfung des Rechtsweges.
Zu Recht hat daher der Präsident des Oberlandesgerichts die beantragte Befreiung nicht erteilt.
Der sich dagegen richtende Antrag gem. § 23 EGGVG war somit abzulehnen. Nach § 30 EGGVG i.V.m. § 2 Nr. 1 KostO ist die Antragstellerin Kostenschuldner. Der Geschäftswert war gem. §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KostO festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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